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Gekielter Flussfalke, Gekielte Smaragdlibelle - Oxygastra curtisii (DALE, 1834)
Artenprofil von Heide Gospodinova & H.-Willi Wünsch
letzte Änderung: 25.03.2016


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Falkenlibellen (Corduliidae)

Fotos (© H. Gospodinova (1), H.-W. Wünsch (2))
Südfrankreich, Nähe Saint-Martin-de-Crau und Mas-Thibert


(xxl-Foto)
19.06.2013
juv. Weibchen

(xxl-Foto)
16.06.2014
adultes Weibchen
 
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Informationen zur Namensgebung: Oxygastra setzt sich aus den griechischen Begriffen "oxys" = scharf oder spitz und "gaster" = Bauch zusammen. Der Gattungsname weist damit, genauso wie der deutsche Artname "Gekielter Flussfalke" auf das gekielte Hinterleibsende der Männchen hin. Der Artname curtisii wurde zu Ehren des britischen Insektenforschers John Curtis (1791-1862) vergeben.


Die Jungtiere von Oxygastra curtisii weisen einen metallisch grün glänzenden Habitus auf, der auf der Oberseite der Abdominalsegmente S1 bis S7 mit einer Reihe meist unpaariger, leuchtend gelber Flecken versehen ist. Die grüne Körperfarbe sowie die gelben Flecken dunkeln mit zunehmendem Alter stark nach. Die Stirn ist einfarbig dunkelgrün, ohne gelbe Flecken. Die Augen der Falkenlibellenart sind anfangs rötlich braun bis violett. Bis zum Erreichen der Geschlechtsreife färben sie sich über Türkis in ein leuchtendes Grün. Die Beine sind vollständig schwarz, der Brustabschnitt ist nur schwach behaart. Der Hinterleib der Männchen wirkt sehr schlank und ist an den Segmenten S8 und S9 keulig verdickt.



Junges Männchen des Gekielten Flußfalken (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 15.06.2014)

Das Abdomen der Weibchen wirkt etwas kräftiger. Die Verdickung am Hinterleibsende ist hier weniger stark ausgeprägt. Die Membran an der Basis aller vier Flügel ist bei beiden Geschlechtern weiß. Bei den Weibchen können die Flügel, besonders bei den Jungtieren, bernsteinfarben sein. Die Art zeigt keinen Sexualdimorphismus, was bedeutet, dass Männchen und Weibchen gleich gezeichnet sind. Ihre Erscheinung macht Oxygastra curtisii im Grunde genommen unverwechselbar.



Reifendes Weibchen des Gekielten Flußfalken (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto, 15.06.2014)


Körperlänge: 4,5 bis 5,5 cm; Flügelspannweite: 6,5 bis 7 cm


Beschreibung der Larve (Bundesamt für Naturschutz - pdf):
Auf dem Kopf befinden sich keine deutlichen Höcker; Hinterleib ohne Rückendornen, jedoch mit kurzen Seitendornen an den Segmenten 8 und 9; auf der Oberseite des Hinterleibs finden sich auffällige, verschieden lange Borsten, die oft in Büscheln, Schöpfen und in Reihen an den Hinterrändern der Hinterleibssegmente stehen

Die Larven erreichen im ausgewachsenen Stadium eine Größe von 19-22 mm.

Lebensraum
Der Gekielte Flussfalke besiedelt vorzugsweise Fließgewässer, wie Flüsse und Bäche in Tiefebenen und Mittelgebirgen unter 600 Metern üNN mit stark verbuschten Ufern und einer nicht zu starken Strömung.



Lebensraum des Gekielten Flußfalken: Die Our bei Ammeldingen (Rheinland-Pfalz, Grenze zu Luxemburg),
(Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 09.07.2011)

Stellenweise sollen diese Gewässer eine nicht zu geringe Wassertiefe von etwa 0,5 bis 1 m aufweisen, wie sie in etwa an strömungsberuhigten Kolken oder an künstlichen Staustufen auftreten. Da sich die Larven auch in flachen Uferzonen größerer Stillgewässer entwickeln können, werden in der Schweiz, in Italien und Südfrankreich auch Seen von der Art besiedelt.



Lebensraum des Gekielten Flußfalken: Stillgewässer Étang des Aulnes (Saint-Martin-de-Crau, Südfrankreich), 20.06.2013,
(Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto, 09.07.2011)

Biologie und Lebensweise
Zwischen Mitte Mai und Anfang Juni beginnt die Emergenzperiode des Gekielten Flussfalken. Nach der Imaginalhäutung, die vorwiegend nachts oder in den frühen Morgenstunden statt-findet, verlassen die jungen Imagines nach ihrem Jungfernflug die unmittelbare Umgebung ihrer angestammten Gewässer um teilweise weit abseits zwischen lichten Wäldern und Ge-büschen, sowie auf sonnigen Flächen über Feldern, Gärten und Waldwegen zu jagen. Die Reifezeit beträgt in etwa 10 Tage.



Adultes Männchen des Gekielten Flußfalken (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto, 15.06.2014)

Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife kehren zunächst die Männchen wieder an die Gewässer zurück. Dort patrouillieren sie in geringer Höhe, zeitweise auch "rüttelnd" auf der Stelle fliegend, über den strömungsberuhigten Gewässerab-schnitten, die sie als Reviere für sich beanspruchen. Diese Reviere werden sowohl gegen einfliegende Artgenossen als auch gegenüber artfremden Großlibellenarten aggressiv ver-teidigt. Dabei werden schattige, wie voll besonnte Stellen gleichermaßen akzeptiert. Gewässerabschnitte mit deutlich erhöhter Fliessgeschwindigkeit werden gemieden. Die Weibchen führen, wie bei den meisten Libellenarten, eine eher versteckte Lebensweise und kommen nur zu Fortpflanzungsaktivitäten in die Nähe der Gewässer. Wird ein Weibchen von einem am Wasser patrouillierenden Männchen gesichtet, wird es sogleich angeflogen und ergriffen.



Kopula des Gekielten Flussfalken.
(Foto: H. Gospodinova, 20.06.2013, Südfrankreich, Nähe Saint-Martin-de-Crau und Mas-Thibert, xxl-Foto)

Die darauf folgende Paarung wird zumeist am Wasser eingeleitet und in bis zu einigen hundert Metern entfernter Vegetation, an Bäumen oder Büschen hängend, beendet. Über die Dauer der Paarung ist nur wenig bekannt. Die anschließende Eiablage wird von den Weibchen noch im Revier des Männchens - scheinbar unter dessen Bewachung - eingeleitet und später an abgelegeneren Stellen zwischen dichter Vegetation oder freiliegendem Wurzelwerk von Bäumen und Sträuchern am Gewässerrand fortgesetzt. Dabei suchen sie die entlegensten Winkel auf, um unter gerade noch möglichen, wippenden Flugbewegungen ihre Eier an der Wasseroberfläche abzustreifen. Die Männchen verfolgen die Weibchen dabei nicht, da sie sonst ihre Reviere sofort an einen Konkurrenten verlieren würden.



Reifendes Männchen des Gekielten Flußfalken (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 15.06.2014)

Eigenen Beobachtungen in der südfranzösischen Camargue zufolge, verlassen die Tiere am frühen Nachmittag die Gewässer um im weiteren Umfeld zu jagen. Wenig später suchen sie besonnte Buschgruppen auf, zwischen denen sie ruhig umher fliegen und sich häufig zur Ruhe absetzen. Am späten Nachmittag versammelten sich einige Imagines an einer ther-misch begünstigten und von Ginsterbüschen bewachsenen Mulde um dort offensichtlich zu übernachten. In der Literatur wird darüber berichtet, dass die Imagines feste Schlafplätze aufsuchen. Mehrere unserer Beobachtungen von extrem langen Ruhephasen beiderlei Geschlechter gegen Abend und an aufeinander folgenden Tagen können diese Theorie bestätigen. Die Flugzeit der Art erreicht ihren Höhepunkt ab Mitte Juni und endet, je nach Witterung, etwa Mitte/Ende August.




Exuvien des Gekielten Flussfalken (Foto: H.-W. Wünsch, gesammelt und geprüft von Dr. Mathias Lohr, xxl-Foto)

Larvale Besonderheiten:
Die embryonale Entwicklung der Larven im Ei dauert, je nach Beschaffenheit des Habitats zwischen drei und zehn Wochen. Für ihre Entwicklung zur Imago benötigen die Larven je nach den äußeren Einflüssen und dem Nahrungsangebot zwei oder drei Jahre. Während dieser Zeit leben sie entweder zwischen feinem Wurzelwerk, unter Steinen versteckt oder bisweilen, zum Schutz vor Prädatoren, gänzlich von feinem Schlamm oder faulenden Blättern bedeckt am strömungsfreien Grund ihrer Entwicklungsgewässer. Die Larven zeigen dabei gegenüber Artgenossen sehr wenig Aggressivität, sodass auf einer relativ kleinen Fläche eine hohe Individuendichte herrschen kann.

Nahrung
Die mittelgroßen Falkenlibellen erjagen über Felder oder zwischen Gebüsch und in Baukronen fliegend, allerlei Insekten, wie Fliegen, Schnaken und andere Insekten. Es wurde beobachtet wie an späten Nachmittagen tanzende Mückenschwärme durch mehrfaches durchkreuzen arg dezimiert wurden.

Verbreitung in D/Welt
Oxygastra curtisii gilt als ein westmediterranes Faunenelement. Die Verbreitungsschwerpunkte liegen hauptsächlich in Süd- und Westfrankreich und im Süden Spaniens. Inselartige Vorkommen existieren in Italien und der Schweiz. Jenseits des Mittelmeers sind einige Funde aus Marokko bekannt. Gelegentliche Ausbreitungen der Art nach Norden, in Richtung Großbritannien, konnte die wärmeliebende Spezies offensichtlich nicht überleben. Auf den britischen Inseln konnte der Gekielte Flussfalke im Jahr 1954 zuletzt nachgewiesen werden. In den letzten Jahren fand man die Art an einem Fliessgewässer in Belgien.

Das einzige derzeit bekannte und bodenständige Vorkommen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland wurde 1997 entdeckt und befindet sich im äußersten Westen von Rheinland-Pfalz, in der Südeifel. Hier bildet das Flüsschen "Our" auf einer Strecke von ca. 25 Kilometern eine natürliche Grenze zwischen Deutschland und Luxemburg. In den Folgejahren brachten Untersuchungen an der Our zwischen den Orten Vianden und Wallendorf anhand von Exuvienfunden eine Population von über 1.200 Individuen zutage. Der Gekielte Flussfalke lebt hier unter anderem mit der Kleinen Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus), der Gemeinen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus), der Zweigestreiften Quelljungfer (Cordulegaster boltonii) und der Gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens) vergesellschaftet.



Adultes Männchen des Gekielten Flußfalken (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto, 15.06.2014)

Die Our wird bei Vianden in einer Talsperre aufgestaut, um im dortigen Pumpspeicherwerk Strom zu erzeugen. Eine im Frühjahr 2011 scheinbar ohne offizielle Genehmigung zu Wartungsarbeiten durchgeführte Öffnung der Staumauern führte schließlich aus odonatologischer (libellenkundlerischer) Sicht zu einer Katastrophe, als sich mehrere Millionen Kubikmeter Wasser in Form einer massiven Flutwelle talwärts ergossen. Diese "Katastrophendrift" überlebten nur jene Larven, die sich in von der Flut weitestgehend unbeeinträchtigten Abschnitten behaupten konnten. Nach der Schließung der Staumauer sorgte das Wiederauffüllen der Ourtalsperre für ein über einen mehrwöchigen Zeitraum andauerndes, nahezu vollständiges Trockenfallen des Flussbettes weiter abwärts, dem wiederum viele aquatisch lebende Organismen, bis auf jene die in Restwasserstellen überleben konnten, zum Opfer fielen.
Die daraufhin angesetzten Begehungen von Libellenkundlern an beiden Ufern der Our brachten nach intensiver Suche nur noch etwas mehr als 200 Exuvien des Gekielten Flussfalken hervor. Die Auswirkungen dieses Ereignisses auf die Gesamtpopulation der Art sind bis heute spürbar.

In der aktuellen Roten Liste für bedrohte Tierarten Deutschlands kann der Gekielte Flussfalke aufgrund seiner extremen Seltenheit und den daraus resultierenden ungenügend vorliegenden Daten nicht bewertet werden.

Verbreitung in NRW
Zwischen den Jahren 1940 bis 1943 existierte ein bodenständiges Vorkommen des Gekielten Flussfalken im Bereich der Mündung der Sieg in den Rhein zwischen Siegburg und Bonn (FAS-TENRATH, 1941, 1950 in: Libellula Supl. 14, 230). Seither gilt Oxygastra curtisii in NRW als ausgestorben oder verschollen. Heute könnten dieses und andere ähnliche Fließgewässer einen erneuten Lebensraum für diese Art bieten.

In der ROTEN LISTE NRW (2010) heißt es sinngemäß: Der Gekielte Flussfalke kann aufgrund der vorliegenden Beobachtungsdaten und der anzuwendenden Kriterien nur als Dispersionsart in NRW eingeordnet werden. Der Gekielte Flussfalke ist seit einigen Jahren ca. 100 km südwestlich des alten Fundortes an der Siegmündung nun im Dreiländereck Belgien/Luxemburg/Deutschland wiederentdeckt worden und weitere Vorkommen erscheinen aufgrund der versteckten Lebensweise nicht ausgeschlossen.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

BROCHARD, C.; D. GROENENDIJK; E. VAN DER PLOEG & T. TERMAAT (2012): Fotogids Larvenhuidjes van Libellen - Zygoptera en Anisoptera. 320 S.

BROCKHAUS, T.; H.-J. ROLAND; T. BENKEN; K.-J. CONZE; A. GÜNTHER; K. G. LEIPELT; M. LOHR; A. MARTENS; R. MAUERSBERGER; J. OTT; F. SUHLING; F. WEIHRAUCH & C. WILLIGALLA (2015): Libellula Supplement 14: Atlas der Libellen Deutschlands (Odonata). S. 1-394

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

ROTE LISTE und Artenverzeichnis der Libellen - Odonata - in Nordrhein-Westfalen (2010): 4. Fassung, Stand April 2010, Arbeitskreis Libellen NRW - Klaus-Jürgen Conze, Nina Grönhagen unter Mitarbeit von Edgar Baierl, Andreas Barkow, Ludger Behle, Norbert Menke, Matthias Olthoff, Eva Lisges, Mathias Lohr, Martin Schlüpmann und Eberhard Schmidt - PDF

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 2, Großlibellen (Anisoptera). Ulmer Verlag. 712 S

WILDERMUTH, H. & A. MARTENS (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. Quelle & Meyer, Wiebelsheim. 824 S.

WILDERMUTH, H. (2008): Die Falkenlibellen Europas. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 653, Westarp Wissenschaften. 512 S.

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2014): Die Libellen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus. CD-ROM, Band 2, Großlibellen.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreis zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.waldschrat-online.de: Libellen und andere Artengruppen Nordrhein-Westfalens in Bild und Text (mit Schwerpunkt NSG Wahner Heide bei Köln)

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.

www.libellula.org: Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen e.V.: Verbreitungsatlas, Tagungen usw.


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