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Gabel-Azurjungfer - Coenagrion scitulum (RAMBUR, 1842)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
(letzte Änderung: 22.03.2012)


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Schlanklibellen (Coenagrionidae)

Fotos (© Jochen Rodenkirchen)
Juntersdorf


(xxl-Foto)
Männchen

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Männchen

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Männchen
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

(xxl-Foto)
Weibchen

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Weibchen

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Weibchen
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Informationen zur Namensgebung:
"coen" ist abgeleitet vom griechischen "koinos" = "gemeinsam". Evtl. hat der Namensgeber dabei an die gemeinsamen Flüge der Pärchen gedacht, die sie vor und nach der Paarung gemeinsam unternehmen.
"agrion" kommt ebenfalls aus dem griechischen ("agrios") und bedeutet "auf den Feldern lebend". Die ausgewachsenen Libellen werden dort häufig angetroffen.
"scitulum" ist hingegen vom lateinischen "scitulus" = "lieblich, allerliebst" abgeleitet.
Der deutsche Artname bezieht sich auf die gabelförmige Zeichnung auf dem 2. Hinterleibssegment der Männchen, welches jedoch sehr variabel sein kann.



Details einiger Bestimmungsmerkmale der Gabel-Azurjungfer (Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Die Gabel-Azurjungfer ist die kleinste aller Azurjungfern. Die Männchen überschreiten eine Körpergröße von 35 Millimetern nicht, wobei ihre Flügelspannweite bei maximal 40 Millimetern liegt. Die Weibchen werden in etwa genau so groß, wirken aber etwas kräftiger. Wie alle Azurjungfern besitzt auch die Gabel-Azurjungfer schwarz-blaue Zeichnungen auf dem Thorax und den Hinterleibssegmenten. Bei Coenagrion scitulum sind die Hinterleibssegmente 3 bis fünf vorne blau und hinten schwarz. Die Segmente 6 und 7 sind fast vollständig schwarz.



Männchen und Weibchen der Gabel-Azurjungfer (Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Die beiden oberen Hinterleibsanhänge des Männchens sind etwa halb so lang wie das 10. Hinterleibssegment und besitzen einen stark nach innen gebogenen Apikalzahn.



Männchen und Weibchen der Gabel-Azurjungfer (Fotos: J. Rodenkirchen (Weibchen), H.-W. Wünsch (Männchen))

Die im Allgemeinen ebenfalls blau gefärbten Weibchen ähneln im Aussehen den übrigen Arten der Gattung Coenagrion. Eine sichere Bestimmung erfolgt in der Regel über die Betrachtung des Hinterrandes der Vorderbrust (Pronotum). Dieser ist in der Mitte mit einem deutlichen Zipfel ausgezogen und weist seitliche Einbuchtungen vor. Die Segmente 3 bis 8 sind mit schwarzen "torpedoförmigen" Zeichnungen versehen. Die größte (theoretische) Verwechslungsgefahr besteht mit der Südlichen Azurjungfer (Coenagrion caerulescens), die jedoch in Deutschland nicht vorkommt.

Larve/Exuvie (Angaben aus BELLMANN 2007):
Erstes Fühlerglied nicht auffallend lang und alle Kiemenblättchen in etwa gleich lang > abgerundeter Hinterkopf > Seitenadern in den Kiemenblättchen zweigen schräg von der Mittelader ab > Larve kleiner als 20 mm > Kiemenblättchen höchstens 4 mm lang, ohne auffallende Zeichnungen oder fadenförmige Verlängerungen

Kiemenblättchen der Larve in Großaufnahme (Zuchtfoto © Jochen Rodenkirchen)



Larve der Gabel-Azurjungfer (Zuchtfoto © Jochen Rodenkirchen)

Lebensraum



Lebensraum der Gabel-Azurjungfer (Foto: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Die Gabel-Azurjungfer ist eine typische Auenart. Sie besiedelt stehende bis mäßig schnell fließende Gewässer mit teilweise tonigen, sandigen bis feinkiesigen Abschnitten und flachen Uferbereichen mit niedriger Vegetation. Sie bevorzugt klares und sauberes Wasser. Zu ihren übrigen Habitaten zählen Überflutungs- und Grundwassertümpel, Seen und Sümpfe mit entsprechender Qualität sowie aufgelassene Kiesgruben.

   

Weitere Lebensräume der Gabel-Azurjungfer (Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Fotos: 1, 2)

Weiher mit reicher Tauchblattvegetation und großzügigen, langzeitig sonnenexponierten Flächen werden bevorzugt besiedelt. Als eine ursprünglich mediterran verbreitete Art ist Coenagrion scitulum sehr wärmebedürftig, was bei der Habitatswahl von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Biologie und Lebensweise

       

       

       

Schlupfvorgang (= Emergenz) der Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum) (Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Fotos per Mausklick)

Die Flugzeit der Gabel-Azurjungfer fällt in den Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte September. Die Hauptabundanz liegt dabei in den Monaten Juni und Juli. Das Paarungsverhalten gleicht weitestgehend dem anderer Azurjungfernarten. Die Männchen fliegen jedoch im Gegensatz zu den meisten anderen Azurjungfern auf der Suche nach Weibchen nicht durch die Ufervegetation, sondern konzentrieren sich mehr auf offene Wasserflächen abseits der Gewässerränder.

Coenagrion scitulum ist noch weitgehend unerforscht, sodass über die Tagesphänologie so gut wie nichts und über die Jahresphänologie nur wenig bekannt ist. So ist ihr derzeitiger Status in den meisten Bundesländern noch völlig unklar. Den Autoren gelangen in den letzten Jahren jedoch ausgiebige Beobachtungen und Dokumentationen der Art, sodass Rückschlüsse auf einige Verhaltensweisen gezogen werden können. Dabei erwies sich die Art als extrem scheu. Nach dem Ergreifen eines Weibchens durch ein artgleiches Männchen wurden nach der Bildung eines Tandems in Abständen von wenigen Sekunden mehrfach die Sitzplätze in der Ufervegetation gewechselt. Dabei erwiesen sich die Tiere als äußerst gewandte und für Kleinlibellen sehr schnelle Flieger, was die einzelnen Dokumentationen zusätzlich erschwerte.

   

       

Tandemformationen der Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum)
(Fotos: H.-W. Wünsch (obere Reihe), Jochen Rodenkirchen (untere Reihe), xxl-Fotos per Mausklick)

Die Art tritt niemals in Massen auf wie andere Azurjungfernarten, mischt sich jedoch unter diese sodass die Erfassung der Stärke einer Population stark erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Aus diesem Grunde dürften viele Vorkommen der Art noch gar nicht erfasst worden sein. Paarungsräder behalten ihre Formation für einige Minuten bei. Sie sind dabei auch in der Lage in Radformation zu fliegen.

           

       

Paarungsrad (= Kopula) der Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum)
(Fotos: Jochen Rodenkirchen (Fotos 1-3), H.-W. Wünsch (Fotos 4-6), xxl-Fotos per Mausklick)

Bei der Eiablage bewacht das Männchen das Weibchen, welches bis zur Mitte des Abdomens ins Wasser eintaucht und seine Eier in Reihen in weiches pflanzliches Gewebe einsticht. Dabei sitzt das Männchen aufrecht auf der Vorderbrust des Weibchens.



 

Eiablage der Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum, im Bild unten links zusammen mit der
Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella), Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Fotos per Mausklick)

Beide Geschlechter entfernen sich meist nicht weit vom Gewässer. Sporadische Einzelfunde deuten jedoch darauf hin, dass einzelne Individuen ziemlich weit umherwandern. Sie zeigen also eine gewisse Vagabundierungstendenz. Vermutlich dienen diese ausgedehnten Flüge der Erkundung neuer geeigneter Habitate.

Über die Larven liegen erst seit kurzem Forschungsergebnisse vor. Danach sind diese extrem aktiv. In Ruhephasen sitzen sie auf grünen Pflanzen unterhalb der Wasseroberfläche, wobei sich ihr grünlicher Leib fast bis zur Unkenntlichkeit farblich an den Untergrund anpasst. Diese Tarnung ist derart perfekt, dass die Larven selbst bei hoher Individuendichte kaum zu entdecken sind. Werden sie gestört, tauchen sie schnell zum Gewässergrund hinab um sich dort zu verstecken. Dabei sind sie in der Lage, schneller als eine große Kaulquappe zu schwimmen.

Nahrung



Männliche Gabel-Azurjungfer
(Foto: H.-W. Wünsch, 10.06.2011, Juntersdorf, xxl-Foto)

Als eine der Kleinsten unter den Kleinlibellen jagt Coenagrion scitulum vorwiegend kleine Mücken, Fliegen und andere Kleinstinsekten, die sitzend in der Vegetation verzehrt werden.
Über die Ernährung der Larven ist so gut wie nichts bekannt.

Verbreitung in D/Welt



Männliche Gabel-Azurjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, 02.07.2011, Wahner Heide, xxl-Foto)

Die Gabel-Azurjungfer ist eine holomediterrane Art. Sie besiedelt das nördliche Mittelmeergebiet von Spanien bis Kleinasien und kommt auch in Nordafrika vor. Trotz dieser Vorkommen in geringer Populationsstärke gilt sie überall als selten. In den letzten Jahren wurde sie auch in Österreich, Ungarn und Südpolen gefunden. Die Art ist in Südostengland mittlerweile bodenständig, während aus der Schweiz nur ein einzelner Fund gemeldet wurde, der jedoch als zweifelhaft bezeichnet werden muss. Die Vorkommen in Deutschland beschränken sich auf Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, wobei sie in letzterem Bundesland ihren deutschen Verbreitungsschwerpunkt hat. In den übrigen Bundesländern fehlt die Gabel-Azurjungfer.

Verbreitung in NRW

Im Jahre 2005 konnte J. Rodenkirchen die Art an Teichen in der Voreifel zwischen den Ortschaften Juntersdorf und Embken nachweisen. Die Bodenständigkeit der Art ist dort gesichert. Mehrjährige Beobachtungen, unter anderem von den Autoren, ergaben, dass sich die Population seither vergrößert. Im Sommer 2011 konnten von den Autoren Erstnachweise der Art im Gebiet des ehemaligen Tagebaus Frechen im Erftkreis, sowie zwei Wochen später aus der Wahner Heide gemeldet werden. Fast zeitgleich meldete Prof. Eberhard Schmidt Funde der Art aus dem Stadtgebiet von Düsseldorf(!).
Bei allen Fundorten handelt es sich um mittelgroße, sonnenexponierte und daher stark aufgewärmte Stillgewässer mit flachen Uferzonen und niederer Vegetation in unmittelbarer Nähe. Fundmeldungen an Fließgewässern liegen derzeit aus NRW nicht vor.

Es ist davon auszugehen, dass Coenagrion scitulum eine starke Ausbreitungstendenz zeigen wird, sodass die Art in den nächsten Jahren von weiteren Fundorten gemeldet werden wird.
Eine Verbreitungskarte des Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen zeigt die ersten NRW-Nachweise der Gabel-Azurjungfer.



Männliche Gabel-Azurjungfer
(Foto: J. Rodenkirchen, xxl-Foto)

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2009): Libellula Supplement 9: Atlas of the Odonata of the Mediterranean and North Africa.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2010): Libellula, Supplement 10, Studien zur Libellenfauna Griechenlands.

GLITZ, D. (2009): Libellen-Geländeschlüssel für Rheinland-Pfalz und das Saarland. NABU Rheinland-Pfalz & NABU Saarland. 109 S.

GREBE B., HOFLAND R., RODENKIRCHEN J. (2006): Neue Nachweise von Coenagrion scitulum in Nordrhein-Westfalen (Odonata: Coenagrionidae). Libellula 25: 19-26 (GdO)

HEIDEMANN, H. & R. SEIDENBUSCH (2002): Die Libellenlarven Deutschlands - Handbuch für Exuviensammler. Keltern: Goecke & Evers.

HILL, B., H.-J. ROLAND, S. STÜBING & C. GESKE (2011): Atlas der Libellen Hessens. – FENA Wissen, Band 1: 184 S.; S. 152 ff.

KARLE-FENDT A. (2006): Erstnachweis von Coenagrion scitulum in Bayern (Odonata: Coenagrionidae). Libellula 25: 129-134 (GdO)

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer Verlag. 468 S.

Internet: www.waldschrat-online.de:: H. Gospodinova & H.-W. Wünsch: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. 3. aktualisierte Auflage 2011 (CD-ROM Band 2: Kleinlibellen).

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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