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Späte Adonislibelle, Scharlachlibelle - Ceriagrion tenellum (DE VILLERS, 1789)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
(letzte Änderung: 17.03.2012)


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Schlanklibellen (Coenagrionidae)

Fotos (© H.-W. Wünsch (1, 4), Jochen Rodenkirchen (2-3,5-6))

NSG Wahner Heide (1, 4), Tagebau Frechen (2-3, 5-6)


(xxl-Foto)
Männchen
25.07.2011

(xxl-Foto)
Männchen
28.06.2009

(xxl-Foto)
Männchen
28.06.2009
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

(xxl-Foto)
Weibchen
11.06.2011

(xxl-Foto)
Weibchen
f. melanogastrum

(xxl-Foto)
Paar
28.06.2009
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Erklärungen zum Artnamen: Der Gattungsname Ceriagrion ist von dem lateinischen "cerinus" = "wächsern" abgeleitet, während tenellum eine Verniedlichung von dem lateinischen "tener" = "sehr zart", darstellt. Beides bezieht sich vermutlich auf den wachszarten, zierlichen Körper dieser Libellenart.

   

Frontalansichten der Späten Adonislibelle (Fotos: H.-W. Wünsch, Wahner Heide, xxl-Fotos: 1, 2)

Die Späte Adonislibelle, die auch in einigen Gebieten "Scharlachlibelle" oder "Zarte Rubinjungfer" genannt wird, ist eine von nur zwei rot gefärbten Kleinlibellen in Mitteleuropa. Die sehr zierlich gebaute Art zählt mit einer Abdomenlänge von nur 22,5 bis 27 Millimetern und einer Flügelspannweite von rund 33 Millimetern zusammen mit der Zwerglibelle (Nehalennia speciosa), mit der sie nahe verwandt ist, zu den kleinsten Libellenarten überhaupt.
Ceriagrion tenellum zeigt starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern (= Sexualdimorphismus). Die Männchen sind unverkennbar. Sie sind bis auf die Kopfoberseite und den bräunlichen, bisweilen Bronze- oder goldfarbenen Thorax vollständig leuchtend rot gefärbt. Im Gegensatz zur zweiten roten Kleinlibellenart, der Frühen Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula), sind bei ihr auch die Beine und die 0,5 mm großen Flügelmale hellrot.

Die Weibchen werden in vier verschiedenen Variationen beschrieben, wobei sich die farblichen Unterschiede meist auf die Färbung der Abdomen beschränken:

    Ceriagrion tenellum f. typicum (Foto: Willi Wünsch, 16.07.2011, Wahner Heide)

  1. forma typicum: Die Hinterleibssegmente 1 bis 3 sind fast ganz rot, das Segment 3 am Ende schwarz, die Segmente 4 bis 7 sind völlig und das Segment 8 überwiegend schwarz gefärbt. Das 9. Segment ist nur wenig schwarz und das 10. Hinterleibssegment wiederum rötlich gefärbt.




  2. Ceriagrion tenellum f. erythrogastrum (Foto: Willi Wünsch, 25.07.2011, Wahner Heide)

  3. forma erythrogastrum: Hierbei handelt es sich um eine homeochrome Form, bei der der Hinterleib des Weibchens vollkommen rot ist. Damit ähnelt sie sehr den Männchen. Diese Form ist sehr selten.




  4. Ceriagrion tenellum f. melanogastrum (Foto: Willi Wünsch, 04.07.2010, Wahner Heide)

  5. forma melanogastrum: Alle Hinterleibssegmente sind völlig schwarz. Das Rot des Körpers ist oft gar nicht vorhanden und wird durch ein cremefarbenes weiß ersetzt. Das Rot der Beine ist stark verdunkelt und oft gar nicht als rot wahrnehmbar. Diese Art tritt häufiger in Erscheinung.


  6. forma intermedium: Der Hinterleib bei dieser Form ist auf der Oberseite rot. Die Segmente 6 bis 9 sind schwarz, ähnlich wie bei f. typica gefärbt. Auch diese Variante ist sehr selten.

Aufgrund ihrer sehr zierlichen Erscheinung ist eine Verwechslung mit anderen Libellenarten so gut wie ausgeschlossen.

Larve/Exuvie (Angaben aus BELLMANN 2007):
Erstes Fühlerglied nicht auffallend lang und alle Kiemenblättchen in etwa gleich lang > eckiger Hinterkopf > Seitenadern in den Kiemenblättchen zweigen schräg von der Mittelader ab > Kiemenblättchen höchstens 4 mm lang, basal oben und unten mit starren Borsten aber ohne auffallende Zeichnungen oder fadenförmige Verlängerungen

Lebensraum
Die Späte Adonislibelle stellt als typisch mediterrane Art sehr hohe Ansprüche an ihre Lebensräume. Sie lebt an sauren Quellmooren, die durch dichte Torfmoospolster und Bestände der seltenen Moorlilie gekennzeichnet sind. Stillgewässer der Nieder- und Übergangsmoore mit angrenzenden Großseggenrieden in Gesellschaft des Schmalblättrigen Rohrkolbens bilden ebenfalls einen Lebensraum. Langsame, schmale Fließgewässer, insbesondere saure Bäche, Gräben und Schlenken von Heidemooren, die entweder vom Grundwaser beeinflusst werden oder von Quellwasser gespeist werden, gehören zu den bevorzugten Habitaten der Art.



Makro der Späten Adonislibelle (Foto: Jochen Rodenkirchen, 28.06.2009, xxl-Foto)

In derartig speziellen und sehr selten anzutreffenden Lebensräumen lebt Ceriagrion tenellum mit der Zweigestreiften Quelljungfer (Cordulegaster boltonii), dem Südlichen Blaupfeil (Orthetrum brunneum), dem Kleinen Blaupfeil (Orthetrum coerulescens), der Frühen Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula) und der Blauen Federlibelle (Platycnemis pennipes) vergesellschaftet. Ganz selten zählen aufgelassene Kiesgruben zu den besiedelten Lebensräumen. Die Art zeigt eine auffallend geringe Abwanderungstendenz von besiedelten "Heimatgewässern" und gilt daher als besonders standorttreu.

Biologie und Lebensweise
Die Imagines sind als eigentliche südeuropäische Art sehr wärmeliebend und entsprechend witterungsempfindlich. Längere Schlechtwetterperioden können sie in den meisten Fällen nicht überleben. Die mittlere Lebenserwartung eines Männchens beträgt lediglich 8-17 Tage. Einzelne Tiere erreichen ein Alter von 30 Tagen. Die Flugzeit der adulten Tiere reicht von Juni bis Anfang September. Die Hauptschlupfzeit liegt dabei im Monat Juli. Die Art entfernt sich während dieser Zeit höchstens 100 bis 150 Meter vom angestammten Gewässer. Männchen und Weibchen leben also, anders als bei vielen anderen Libellenarten, bei denen die Weibchen nur zur Paarung und Eiablage die Gewässer aufsuchen, von Beginn an im gleichen Habitat. Wenn die Tiere geschlechtsreif sind, kommt es zur Paarung.



Tandem der Späten Adonislibelle (Foto: Jochen Rodenkirchen, 28.06.2009)

Das Männchen ergreift hierzu das Weibchen mit seinen Hinterleibsanhängen am Hinterrand der Vorderbrust und fliegt mit diesem in der Tandemformation eine kurze Strecke abseits des Wassers und setzt sich mit ihm auf vertikalen Strukturen wie Binsen oder Pfeifengrasstengeln ab. Hier bildet das paar das klassische Paarungsrad.



Paarungsrad der Späten Adonislibelle (Foto: H.-W. Wünsch, 04.07.2010, Wahner Heide, xxl-Foto)

Die eigentliche Paarung dauert bei der Späten Adonislibelle 18 bis 45 Minuten. Danach fliegt das Paar zum Gewässer zurück und beginnt nach einigen Minuten mit der Eiablage.



Paarungsräder der Späten Adonislibelle (Fotos: Jochen Rodenkirchen, 28.06.2009, xxl-Foto)

Dabei bleibt das Männchen an das Weibchen angekoppelt. Die Eier werden an der Oberfläche oder über Wasser abgelegt. Das Weibchen taucht dabei niemals vollständig unter.



Eiablage der Späten Adonislibelle (Foto: H.-W. Wünsch, 16.07.2011, Wahner Heide, xxl-Foto)

Die Entwicklung der Larven dauert überlicherweise ein Jahr, sie kann sich jedoch bei kühler Witterung auf zwei Jahre ausdehnen.

Nahrung

   

Späte Adonislibelle mit Beute (Fotos: H.-W. Wünsch, 11.06.2011, Wahner Heide, xxl-Fotos: 1, 2)

Die sehr kleine Libellenart lebt, wie ihre größeren Verwandten auch, räuberisch und ernährt sich von allerlei Kleininsekten wie Mücken, Fliegen, Schnaken, die sie im Flug überwältigt oder von der Oberfläche der Vegetation ergreift. Dabei kann sie Beute bis zur ihrer eigenen Größe und Gewicht überwältigen.



Weibliche Späte Adonislibelle forma erythrogastrum mit Beute (Foto: H.-W. Wünsch, 22.07.2010, Wahner Heide, xxl-Foto)

Über die Lebensweise der Larven ist, vermutlich wegen der Seltenheit der Tiere, nichts bekannt. Man schätzt die Embryonalentwicklung auf 3 bis 4 Wochen, sodass die Larven etwa Mitte August aus den Eiern schlüpfen. Bis zum Winter erreichen sie eine Größe von ca. 4 Millimetern. Über die Anzahl und Dauer der Larvenstadien gibt es keine Angaben. Die Ernährung dürfte jedoch im gleichen Spektrum wie bei anderen Coenagrioniden liegen.

Verbreitung in D/Welt
Coenagrion tenellum ist eine atlantomediterrane Art mit einer Tendenz zu westmediterraner Verbreitung. Das Hauptareal erstreckt sich von Spanien über Frankreich, erreicht die Benelux-Staaten, Südengland und Wales. Die nordöstliche Verbreitungsgrenze verläuft etwa entlang des Rheins, biegt ostwärts nach Niedersachsen ab und endet vermutlich in Sachsen-Anhalt. Südlich der Alpen findet man die Art auf Mallorca, Korsika, Sardinien und Italien, mit Ausnahme des äußersten Südens.



Detailansichten der Späten Adonislibelle (Fotos: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto)

Aus Deutschland und dem übrigen Mitteleuropa sind nur Streufunde von klimatisch begünstigten Lokalitäten bekannt. Viele ehemals bekannte Vorkommen sind wegen des zu rauhen Klimas oder fehlender bzw. schwindender Lebensräume wieder erloschen. Der heutige Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland liegt westlich der Elbe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Ein Fundort ist aus Rheinland-Pfalz bekannt. In Bayern wurde die Späte Adonislibelle 1978 zuletzt gefunden und gilt seither als verschollen. In allen übrigen Bundesländern fehlt die Art. Das nördlichste bekannte Vorkommen im Bereich Lübeck ist bereits seit 1975 erloschen.

Verbreitung in NRW
Die wenigen aktuellen Vorkommen in Nordrhein-Westfalen sind von überregionaler Bedeutung. Die Einstufung in der Roten Liste mit der Stufe 1 "Vom Aussterben bedroht" ist absolut gerechtfertigt, trotz der Tatsache, dass alle Vorkommen in Naturschutzgebieten liegen. Darüber hinaus genießt die Art gemäß Anhang IV der FFH (Fauna-Flora-Habitat) -Richtlinien den höchsten bekannten Schutzstatus. Oberstes Ziel für Coenagrion tenellum muss daher die Erhaltung der Primärhabitate sein. Jegliche Eingriffe in den Wasserhaushalt, auch in der näheren Umgebung des Gebietes müssen unterbleiben. Trittschäden in Sümpfen und Mooren sollten weitestgehend vermieden werden.

Im äußersten Norden Nordrhein-Westfalens, im ehemaligen Tagebau Frechen im Erftkreis und einem kleinen Moorgebiet im Naturschutzgebiet "Wahner Heide" bei Köln sind drei gesunde Populationen bekannt, welche als FFH-Gebiete ausgewiesen sind und nur mit entsprechenden landesbehördlichen Genehmigungen zwecks wissenschaftlicher Erhebungen betreten werden dürfen. Eine der wenigen guten Möglichkeiten diese Art zu beobachten gibt es im Erftkreis auf dem Gebiet der Stadt Kerpen unweit des "Papsthügels" im Marienfeld. Dort führen innerhalb eines Naherholungsgebietes gute Wanderwege unmittelbar an einem Habitat entlang.

Die NRW-Fundpunkte der Späten Adonislibelle können der folgenden
Verbreitungskarte des Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen entnommen werden.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2009): Libellula Supplement 9: Atlas of the Odonata of the Mediterranean and North Africa.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2010): Libellula, Supplement 10, Studien zur Libellenfauna Griechenlands.

GLITZ, D. (2009): Libellen-Geländeschlüssel für Rheinland-Pfalz und das Saarland. NABU Rheinland-Pfalz & NABU Saarland. 109 S.

HILL, B., H.-J. ROLAND, S. STÜBING & C. GESKE (2011): Atlas der Libellen Hessens. – FENA Wissen, Band 1: 184 S.; S. 152 ff.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer Verlag. 468 S.

Internet: www.waldschrat-online.de:: H. Gospodinova & H.-W. Wünsch: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. 3. aktualisierte Auflage 2011 (CD-ROM Band 2: Kleinlibellen).

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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