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Zweigestreifte Quelljungfer - Cordulegaster boltonii (DONOVAN, 1807)
Artenprofil von Heide Gospodinova & H.-Willi Wünsch
letzte Änderung: 19.09.2012


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Quelljungfern (Cordulegastridae)

Fotos (© H.-W. Wünsch (1-2), Jochen Rodenkirchen (3-4))
Siegburg (1-2)


(xxl-Foto)
11.07.2011
Männchen

(xxl-Foto)
11.07.2011
Männchen
 
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

(xxl-Foto)
18.07.2010
Männchen

(xxl-Foto)
Männchen
 
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Erklärungen zum wissenschaftlichen Artnamen Cordulegaster boltonii:
Der Gattungsname Cordulegaster entstammt dem Griechischen und leitet sich ab von "kordyle" = Keule und "gaster" = Bauch. Der Artname boltonii wurde zu Ehren des Entomologen James Bolton (1796) vergeben, der die Art seinerzeit in Yorkshire entdeckt hat.

Besondere Merkmale:
Die Zweigestreifte Quelljungfer ist eine der größten heimischen Libellenarten. Mit einer Körperlänge von bis zu 9 Zentimetern und einer Flügelspannweite von annähernd 11 Zentimetern übertrifft sie selbst die Ausmaße der großen Edellibellen. Die typischen grünen Augen der erwachsenen Imagines berühren sich nur an einem Punkt. Der Thorax (Brustabschnitt) ist von der Grundfarbe her schwarz und weist leuchtend gelbe Antehumeralstreifen und Seitenbinden auf.



Männliche Cordulegaster boltonii in der Seiten- (oberes Bild) und Rückansicht (unteres Bild) (Fotos © H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Das ebenfalls schwarze Abdomen (Hinterleib) besitzt in der Mitte leicht unterbrochene gelbe Querstreifen, die derart platziert sind, dass sich jeweils ein breiter Querstreifen in der Mitte des Segmentes und ein schmälerer Streifen am hinteren Ende des jeweiligen Segmentes befinden. Das Abdomen der Männchen ist im hinteren Drittel deutlich keulig verdickt. Die Vorder- und Hinterflügel sind entlang der Vorderkanten hellgelb gefärbt. Die Farben der Geschlechter sind gleich, sie zeigen also keinen Sexualdimorphismus. Die Weibchen verfügen am Ende des Abdomens über einen überaus stark entwickelten Legebohrer, der auf Abnutzung eingerichtet ist. Mit diesem pflügen sie in senkrechter Haltung während des Fluges ihre Eier regelrecht in die Sedimente und Bodensubstrate kleiner Quellen, Rinnsale oder von Bächen.
Ein wichtiges Erkennungsmerkmal der Zweigestreiften Quelljungfer (C. boltonii) ist das hinten zwischen den Augen befindliche "Hinterhauptdreieck". Es ist bei der hier vorgestellten Art gelb.

Körperlänge: bis 90 mm; Flügelspannweite: bis 110 mm


Verwechslungsmöglichkeiten:

Eine Verwechslungsgefahr besteht mit der zweiten Quelljungfern-Art, die in Deutschland vorkommt, der Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata). Bei dieser Art ist das Hinterhauptdreieck schwarz.



Vergleich der Verwechslungsarten Cordulegaster boltonii und C. bidentata anhand der unterschiedlich gefärbten Hinterhauptsdreiecke. Links ist dieses schwarz = C. bidentata und rechts hell/gelb = C. boltonii (Fotos © H.-W. Wünsch (links) und J. Rodenkirchen (rechts))

Außerdem fehlen bei Cordulegaster bidentata die schmaleren gelben Streifen am hinteren Ende der Hinterleibsegmente.



Vergleich der Verwechslungsarten Cordulegaster boltonii und C. bidentata anhand der unterschiedlich gefärbten hinteren Enden der Hinterleibsegmente. Oben sind diese schwarz = C. bidentata, unten gelb gefärbt = C. boltonii (Fotos © H.-W. Wünsch, xxl-Foto)



Verwechslungsart: Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) (Foto © H.-W. Wünsch, xxl-Foto)

Beschreibung der Larve nach Bellmann (2007):
Plumpe Larve mit Analpyramide aus 5 Dornen > Fangmaske gewölbt. Fanghaken dreieckig mit gezähntem Rand und kurzem, beweglichem Zahn > Fanghaken unregelmäßig grob gezähnt > Flügelschneiden schräg am Abdomen herablaufend und Segment 8 und 9 mit kurzen Lateraldornen (zum Vergleich bidentata: Flügelscheiden parallel und Abdominalsegmente ohne Lateraldornen)



Die Larve der Zweigestreiften Quelljungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 02.06.2011)

Libellenarten sind mit einiger Übung auch anhand der Larven oder sogar der leeren Larvenhüllen (= Exuvien) eindeutig bestimmbar!

   

Die Larve der Zweigestreiften Quelljungfer kurz vor dem Schlupf (links) und rechts die leere Larvenhülle (das Foto wurde um 90° gedreht (Fotos: H.-W. Wünsch, xxl-Foto 1 - 02.06.2011, xxl-Foto 2 - 12.06.2010)

Lebensraum
Cordulegaster boltonii ist eine reine Fließgewässerart, die sich sowohl an Quellen und Bächen innerhalb von geschlossenen Waldgebieten als auch in unbeschatteten Fließgewässern entwickelt. Dabei werden sonnige Tieflandbäche mit feinen Sandstrukturen eher bevorzugt als Bergbäche mit meist erhöhter Fließgeschwindigkeit. Ein wichtiger Aspekt zur Besiedlung derartiger Gewässer ist eine sehr hohe Wasserqualität.


Seitenansicht einer männlichen Zweigestreiften Quelljungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 28.07.2011)

Wie der Name "Quelljungfer" schon andeutet, werden auch winzige Rinnsale, die auf den ersten Blick kaum als Quellen oder Bäche erkannt werden als Lebensraum angenommen. Breite Fließgewässer werden bis auf wenige Ausnahmen, eine davon ist das Flüsschen "Örtze" in Niedersachsen, weitestgehend gemieden. Nach Beobachtungen der Autoren, resultierend aus den letzten Jahren, werden sogar Drainagegräben, die als Zu- bzw. Ablauf von Fischteichen dienen als Habitat besiedelt, sofern die Wasserqualität ihren Anforderungen genügt.

Biologie und Lebensweise
Die Imaginalhäutung (der Schlupf) erfolgt in der Regel in den frühen Morgenstunden unmittelbar an den Ufern der besiedelten Gewässer. Die ersten Imagines beginnen während der ersten Junihälfte zu schlüpfen. Der Schlupfvorgang dieser sehr großen Art kann selbst bei optimalen Witterungsbedingungen über vier Stunden andauern.



Frisch geschlüpfte und noch unausgefärbte Zweigestreifte Quelljungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 02.06.2011)

Danach fliegen die Tiere sonnige Stellen in der näheren Umgebung an, um in den nächsten Stunden vollkommen auszuhärten. Während ihrer Reifezeit jagen sie abseits von Gewässern mit sehr hoher Geschwindigkeit auf gut besonnten und kleininsektenreichen Streu- und Wildwiesen und Waldlichtungen. Oft kann man sie auch auf breiten Waldwegen beobachten. Im Allgemeinen gestaltet sich die Beobachtung der übergroßen Libellen als sehr schwierig, da sie aufgrund ihrer Körperzeichnung gut getarnt und daher schon im Flug schwer auszumachen sind.



Männliches Jungtier von Cordulegaster boltonii (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 02.06.2011)

Nach dem Erlangen der Geschlechtsreife kehren die Männchen an die Gewässer zurück, wo sie in niedrigem und langsamen Suchflug über dem Wasser patrouillieren und nach Weibchen Ausschau halten. Die Zweigestreiften Quelljungfern sind keine sehr ausdauernden Flieger. Suchflüge von wenigen Minuten Dauer werden oft durch langausgedehnte Pausen unterbrochen, die die Männchen sitzend in der unmittelbaren Ufervegetation verbringen.



Weibliche Zweigestreifte Quelljungfer auf Blutweiderich (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 21.08.2012)

Die schwarz-gelbe Zeichnung beweist hierbei wieder einmal mehr ihren optimalen Tarneffekt, da die großen Libellen sich regungslos verhalten und so regelrecht mit der Umgebung verschmelzen. Nach solchen Pausen werden die Suchflüge wieder aufgenommen und führen über weit auslaufende Strecken im Zickzackmuster über das Wasser. Ein festes Revier oder Territorium haben sie nicht. Begegnen sich zwei oder mehrere Männchen, steigen diese steil und schnell nach oben auf. Dieses Verhalten verfolgt den Zweck, den oder die Rivalen in waghalsigen Flugmanövern im freien Luftraum ohne Hindernisse zu vertreiben.



Männchen von Cordulegaster boltonii (Foto: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto, 14.08.2010)

Die Weibchen kommen lediglich zur Paarung und zur Eiablage an die Gewässer. Wird ein Weibchen von einem Männchen entdeckt, wird es sofort vom Männchen ergriffen und das Paar bildet eine Tandemformation. Die anschließende Paarung findet, als sogenanntes "Paarungsrad", sitzend in der nahen Vegetation statt. Nach der Paarung fliegt das Weibchen alleine zur Eiablage ans Gewässer um dort seine Eier nach dem "Nähmaschinenprinzip" in das Bodensediment einzustechen.



Nahaufnahme einer männlichen Zweigestreiften Quelljungfer (Foto: Jochen Rodenkirchen, 18.07.2010)

Die Eiablage der Zweigestreiften Quelljungfer erfolgt in vertikalem Flug, in einem Winkel von etwa 180° zur Gewässeroberfläche. Im 2-Sekundentakt fliegt die Libelle bis auf eine Höhe von knapp einem Meter über dem Grund.



Weibliche Cordulegaster boltonii bei der Eiablage (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto, 21.08.2012)

Dann stößt sie, ohne in den Rüttelflug überzugehen, mit Höchstgeschwindigkeit nach unten, taucht hierbei tief ins Wasser ein und rammt ihren Legeapparat in das Sediment des Ufers.

   

Weibliche Cordulegaster boltonii bei der Eiablage (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto 1, 2, 21.08.2012)

Dieser Vorgang wiederholt sich bis zu 30-mal in einer Minute. Der kräftig ausgebildete Legestachel der Zweigestreiften Quelljungfer ist für diese Art der Eiablage und auf Abnutzung ausgerichtet. Bei kiesigen Eiablagesedimenten bleiben jedoch Verletzungen am Abdomen des Weibchens nicht aus.



Hinterleib einer weiblichen Cordulegaster boltonii mit Abnutzungserscheinungen (Foto: H.-W. Wünsch)

Da der Boden oft sehr hart ist nutzt sich der Eiablageapparat der Weibchen stark ab. Die Flugzeit von Cordulegaster boltonii läuft Ende September/Anfang Oktober aus. Die Hauptabundanz der Art liegt in den Monaten Juli und August. Die Tiere erreichen ein Alter von ca. 80 Tagen. Bemerkenswert ist die ungewöhnlich lange Entwicklungszeit der Larven. Da sich diese in der Regel in nahrungsarmen Kleinstgewässern entwickeln müssen, beträgt die Zeit vom Schlupf aus dem Ei bis zur Häutung der flugfähigen Libelle fünf bis sieben Jahre.

Nahrung
Adulte:
Bedingt durch ihre Größe kann Cordulegaster boltonii auf ein recht breites Nahrungsspektrum zurückgreifen. Die Art erbeutet eigentlich alles, dessen sie habhaft werden kann. Neben den typischen Beutetieren wie Fliegen, Mücken und Schnaken die in großen Mengen erbeutet und verzehrt werden, stehen große Tagfalter sowie andere Groß- und Kleinlibellen auf ihrem Speiseplan. Als Besonderheit ist hier zu erwähnen, dass auch wehrhafte Insekten wie Wespen und Honigbienen erbeutet werden können, ohne dass die Libelle dabei Schaden nimmt.

Larven:
Die Larven leben fast regungslos eingegraben im Bodensubstrat von flachen Gewässern und ernähren sich mühselig von Kleinorganismen aller Art, die Ihnen vor die mächtige Fangmaske geraten. Trotz dieser geduldigen Jagdmethode erreichen sie nach der sehr langen Entwicklungszeit (5-7 Jahre) eine imposante Größe und sind im letzten Stadium durch ihre starken Beißwerkzeuge von erschreckender Gestalt.

Verbreitung in D/Welt
Das Verbreitungsareal von Cordulegaster boltonii erstreckt sich vom westlichen Mittelmeer, der iberischen Halbinsel, Südfrankreich, Westitalien, Nordafrika und Großbritannien nordwärts weiter über Mittelskandinavien bis nach Russland.




Männchen von Cordulegaster boltonii (Foto: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto, 18.07.2010)

In Deutschland ist die Zweigestreifte Quelljungfer von der norddeutschen Tiefebene bis in die Alpen verbreitet. Einen Häufigkeitsschwerpunkt besitzt sie an den gewässerreichen Rändern der Mittelgebirge. In Ostdeutschland kommt sie an Bächen entlang von Endmoränen aus der letzten Eiszeit und in Urstromtälern vor. Die Art tauchte erst 1922 in Deutschland auf und hat sich seither etabliert. Die Art ist in der Roten Liste für bedrohte Tierarten je nach Region als "Gefährdet" oder "stark gefährdet" eingestuft und per Gesetz besonders geschützt. Der Gefährdungsgrad resultiert aus dem regionalen Rückgang in Frage kommender Habitate.

Verbreitung in NRW
Cordulegaster boltonii fliegt in NRW u. a. an einigen sauberen Bachabschnitten von Zuflüssen zur Agger, Sieg und Wupper. Ab Anfang Juli sind an Fließgewässern im Königsforst bei Köln, im Naturpark Kottenforst-Ville sowie an den Gräben entlang von Waldwegen des Naherholungsgebietes bei Siegburg-Stallberg regelmäßig gesunde Populationen zu beobachten. Man kann die Art an qualitativ guten Bächen im Münsterland, der Soester Börde bis zu den Ausläufern des Weserberglandes finden.



Männchen von Cordulegaster boltonii (Foto: Jochen Rodenkirchen, xxl-Foto, 18.07.2010)

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2009): Libellula Supplement 9: Atlas of the Odonata of the Mediterranean and North Africa.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2010): Libellula, Supplement 10, Studien zur Libellenfauna Griechenlands.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland - Geländeschlüssel. NABU Niedersachsen, NABU Schleswig-Holstein, NABU Hamburg & NABU Mecklenburg-Vorpommern. 374 S.

GLITZ, D. (2009): Libellen-Geländeschlüssel für Rheinland-Pfalz und das Saarland. NABU Rheinland-Pfalz & NABU Saarland. 109 S.

HEIDEMANN, H. & R. SEIDENBUSCH (2002): Die Libellenlarven Deutschlands - Handbuch für Exuviensammler. Keltern: Goecke & Evers.

HILL, B., H.-J. ROLAND, S. STÜBING & C. GESKE (2011): Atlas der Libellen Hessens. – FENA Wissen, Band 1: 184 S.; S. 152 ff.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 2, Großlibellen (Anisoptera). Ulmer Verlag. 712 S

Internet: www.waldschrat-online.de: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 1, Großlibellen, 3. aktualisierte Auflage 2011.

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreis zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.waldschrat-online.de: Libellen und andere Artengruppen Nordrhein-Westfalens in Bild und Text (mit Schwerpunkt NSG Wahner Heide bei Köln)

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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