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Nordische Moosjungfer - Leucorrhinia rubicunda (LINNAEUS, 1758)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
Letzte Änderung: 03.11.2014


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Segellibellen (Libellulidae)
Gattung: Moosjungfern (Leucorrhinia)

Fotos (© H. Gospodinova (1-2) & H.-W. Wünsch (3))
Gildehauser Venn (Niedersachsen)


(xxl-Foto)
Männchen

(xxl-Foto)
Weibchen

(xxl-Foto)
Männchen
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich
     
Besondere Merkmale
Der wissenschaftliche Name "Leucorrhinia" leitet sich von "leukos" (gr.) = weiß und "rhinios" (gr.) = nasig (zu "rhis" = Nase) ab und weist auf die weiße Stirn hin. "rubicunda" setzt sich zusammen aus "rubere" (lat.) = "rot sein" und "undus" (lat.) = heftig. So wird auf die kräftige Rotfärbung hingewiesen.



Frontalansicht einer männlichen Nordischen Moosjungfer - gut erkennbar ist die weiße Stirn.
(Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Leucorrhinia rubicunda ist eine der schönsten, aber auch seltensten, Vertreterinnen der kleinen Gattung der Moosjungfern. Man muss schon sehr genau hinschauen, denn sie kann leicht mit der Kleinen Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) verwechselt werden. Ähnlich gezeichnet wie die Kleine Moosjungfer, ist die Nördliche Moosjungfer jedoch deutlich kräftiger in ihrem Körperbau.



Männchen (unten) und Weibchen (oben) der Nordischen Moosjungfer (Foto: Heide Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Ihre roten Flecken auf dem schwarzen Hinterleib dunkeln im Alter stark nach und wechseln zu einem schmutzigen Dunkelbraun. Lediglich der Fleck auf dem 7. Hinterleibssegment bleibt kräftig rot erhalten.
Die Flügelmale der Männchen sind rot, die der Kleinen Moosjungfer sind jedoch schwarz. Der Flügelrand vom Flügelansatz bis zur Mitte ist hell und die Flecken auf den Hinterleibssegmenten sind größer und länger als bei der Kleinen Moosjungfer.

Die Weibchen unterscheiden sich nur in der Zeichnung der Hinterleibssegmente 6 und 7 von denen der Großen Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis). Ihre gelben Flecken sind etwas kleiner, die der Großen Moosjungfer sind hingegen kräftiger, rundlicher und tassenförmig ausgebildet.

Körperlänge: ca. 45 mm
Flügelspannweite: ca. 60 mm

Lebensraum
Die Nordische Moosjungfer besiedelt überwiegend saure Gewässer im Randbereich von Hoch- und Übergangsmooren. Was ihre Habitatswahl angeht, so ist sie etwas anspruchsloser als die Kleine Moosjungfer, mit der sie oft vergesellschaftet lebt. Man findet die Art regional an moorartigen Wald- und Heideweihern, Verlandungszonen von Seeufern, verwachsenen Altarmen von Flüssen und in Gewässern renaturierter Braunkohlegruben.



Gildehauser Venn (Foto: H.-W. Wünsch, "Dreiländereck" Niederlanden/NRW/Niedersachsen, 25.05.2012, xxl-Foto per Bildklick)

Handtorfstiche mit reichem Vorkommen von Moosen werden ebenfalls gerne als Lebensraum akzeptiert. Leucorrhinia rubicunda entwickelt sich in stehenden, unterschiedlich großen Gewässern mit üppigem Bewuchs von getauchten Torfmoosen, die durchweg gut besonnt sein müssen. Flutende Moose und andere feinblättrige Pflanzen sind wichtig für die Ei- und Larvenentwicklung. Im Falle einer vorübergehenden Austrocknung können die Larven in diesem Substrat überleben.

Biologie und Lebensweise
Leucorrhinia rubicunda erscheint bereits Ende April und ist damit von den 5 in Europa vorkommenden Moosjungfernarten die erste ihrer Gattung, die im Laufe eines Jahreszyklus fliegt. Die Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) erscheint 2 bis 3 Wochen später im Habitat.



Schlupfbereite Libellenlarve der Nordischen Moosjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Nach dem Schlüpfen suchen die jungen Imagines zur Reifung und Jagd trockene Gebiete auf, die vorzugsweise aus lichten Wäldern, Waldschneisen oder - sofern vorhanden - aus lichten Moorkieferwäldern bestehen. Alternativ dienen Kahlschläge, sowie waldarme Binnendünen und Heideflächen in der weiteren Umgebung der angestammten Gewässer als Ruhe-, Reife- und Jagdhabitat.



Frisch geschlüpfte männliche Nordische Moosjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Die weiblichen Tiere ruhen gerne auf dem Boden oder bodennahen Strukturen um dabei Wärme aufzunehmen. Ihr schwarz-gelbes Körpermuster lässt sie dabei mit ihrer Umgebung regelrecht verschmelzen. Besonders ältere Weibchen mit verblassten Gelbanteilen sind schwer zu entdecken.



Sehr gut getarntes altes Weibchen der Nordischen Moosjungfer (Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Zur Hauptflug- und Fortpflanzungszeit, die nur 5 bis 6 Wochen andauert, kehren die Männchen zum Gewässer zurück und besetzen dort bei geringer Individuendichte kleine Reviere und halten auf Ansitzwarten Ausschau nach einfliegenden Weibchen. Wird ein paarungswilliges Weibchen entdeckt reagiert das Männchen mit einem schnellen Start von der Ansitzwarte aus, um das Weibchen zu ergreifen.



Paarung (links Männchen) der Nordischen Moosjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick)

Moosjungfern bilden keine Tandemformationen wie zum Beispiel die Pärchen der Heidelibellen (Sympetrum sp.). Wird ein Weibchen von einem Männchen zur Paarung ergriffen, kommt es augenblicklich zur Bildung des klassischen Paarungsrades, das sich auch während des gemeinsamen Fluges nicht auflöst. Beobachtet man trotzdem eine Tandemformation, so kann man getrost davon ausgehen, dass das vorne fliegende Männchen einem Irrtum erlegen ist, und einen sogenannten Fehlgriff getätigt hat. Es schleppt dann ein artfremdes Weibchen hinter sich her.



Ein Männchen der Nördlichen Moosjungfer (links) hat hier versehentlich ein Weibchen der Kleinen Moosjungfer ergriffen.
(Foto: H. Gospodinova, xxl-Foto per Bildklick)

Das Paarungsrad wird in der Luft gebildet. Die Paarung vollzieht sich im Sitzen und dauert etwa 25 bis 40 Minuten. Dabei werden die Sitzpositionen mehrmals gewechselt, ohne die unmittelbare Nähe des Wassers jedoch zu verlassen. Die Weibchen fliegen anschließend über das Wasser und streifen ihre Eier mit wippenden Bewegungen ihres Hinterleibes auf der Wasseroberfläche ab. Dabei wird es vom Männchen aus einiger Entfernung im Flug bewacht.



Männliche Leucorrhinia rubicunda: Schön sind auch die roten Flügelmale zu erkennen
(Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick).

Rivalen werden vertrieben und nötigenfalls vom Männchen ergriffen und "weggeschleppt". Bei einer hohen Männchendichte gibt es kein Territorialverhalten mehr. Hierbei kann es zu chaotischen Zuständen am Gewässer kommen. Die vielen Männchen konkurrieren dann um die wenigen Weibchen und verfolgen diese gleich zu mehreren Individuen. Manche unverpaarte Männchen versuchen Paarungsräder zu trennen, indem sie sich an andere Männchen ankoppeln. In solchen Situationen entstehen nicht selten Ketten von 4-5 Individuen, die durch ihren unkontrollierbaren Flug kurz darauf abstürzen.



Weibliche junge Nördliche Moosjungfer mit schwarzen Flügelmalen (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick).

Paarungsunwillige Weibchen versuchen den Männchen durch Steilflüge nach oben zu entkommen oder sie lassen sich ins hohe Gras fallen, wo sie einige Zeit regungslos verharren. Letzteres ist jedoch mit hohen Risiken verbunden, da im hohen Gras zahlreiche Prädatoren, wie Spinnen, Amphibien und Reptilien lauern. Die Weibchen sind auch in der Lage ihre Eier auf Torfmoosen sitzend abzulegen. Selbst bei dieser Prozedur werden sie von Männchen ergriffen. Um unbehelligt und in Ruhe Eier legen zu können, kommen einige Weibchen bei starker Bewölkung oder in den späten Nachmittagsstunden an die Gewässer, wenn sich dort aufgrund fehlender Sonneneinstrahlung keine Männchen mehr aufhalten.



Junges Männchen von Leucorrhinia rubicunda im Regen (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick).

Wegen ihres jahreszeitlich frühen Auftretens Ende April und aufgrund der relativ kurzen Flugzeit sind Imagines der Art schon ab Mitte Juni so gut wie nicht mehr zu beobachten.
Über die Entwicklung der Larven ist noch nicht viel bekannt. Sie dürfte jedoch ähnlich verlaufen wie jene der Kleinen Moosjungfer (Leucorrhinia dubia). Die Wissenschaft geht von einer 3-jährigen Entwicklungszeit aus. Die Larven verhalten sich träge und leben in den höheren Schichten der Moospolster. Dort finden sie für ihre 14 Stadien andauernde Entwicklung optimale Bedingungen vor. Im letzten Stadium erreichen sie eine Größe von etwa 22-25 mm.



Seitenansicht einer weiblichen jungen Nördlichen Moosjungfer (Foto: H.-W. Wünsch, xxl-Foto per Bildklick).

Die Nordische Moosjungfer ist eine Segellibelle die auf das Vorkommen von Moorgebieten angewiesen ist. Da diese, aufgrund menschlicher Eingriffe in die Natur immer seltener werden, verringerten sich auch die Populationen dieser "Moorspezialistin" in den letzten Jahrzehnten drastisch.

Nahrung
Moorgewässer stellen nur für wenige Lebewesen ein geeignetes Habitat dar. Deshalb müssen auch die Larven mit wenig Nahrung zurechtkommen. Sie ernähren sich von kleinen Wasserinsekten und deren Larven.

Die adulten Nordischen Moosjungfern leben von im Flug erbeuteten kleinen Insekten.

Verbreitung in D/Welt
Das Hauptverbreitungsgebiet von Leucorrhinia rubicunda umfasst die westliche Paläarktis und reicht von Mitteleuropa bis nach Zentralsibirien. In Mitteleuropa verläuft das zusammenhängende Areal von Belgien, Ostdeutschland, Polen und die Ukraine bis zum Ural. Die abgetrennten Vorkommen in Frankreich sind mittlerweile erloschen. In Tschechien existiert noch ein isoliertes Vorkommen der Art. Im Norden erreicht das Verbreitungsgebiet in Finnland den 70. Breitengrad und somit fast das Eismeer.



Männchen der Nordischen Moosjungfer
(Foto: Karsten Lange, Burgdorf bei Hannover (Niedersachsen),04.06.2010, xxl-Foto per Bildklick)

In Deutschland kommt die Art hauptsächlich im Norden und Osten vor, wobei in Brandenburg und Niedersachsen die größten Populationen bekannt sind. Nach Süden hin wird die Art immer seltener, was auch aus ihrem Namen abgeleitet werden kann. Sie ist in der Deutschen Roten Liste der bedrohten Libellenarten (OTT & PIPER, 1998) mit der Stufe 2 als "stark gefährdet" geführt.

Verbreitung in NRW
Die Nordische Moosjungfer stellt in NRW eine große Seltenheit dar. Den Autoren gelang im Juni 2008 im Naturschutzgebiet "Wahner Heide", vor den Toren Kölns, ein Fund dieser Art. Laut den schriftlichen Erhebungen des zuständigen Dachverbandes für dieses Areal stammte der letzte Nachweis aus dem Jahr 1925. Die seitdem in der Kölner Bucht als verschollen geltende Art wurde somit nach 83 Jahren erstmals wieder nachgewiesen.

Im Jahre 2012 kam es, vermutlich aus Osteuropa, zu einem Masseneinflug der Großen Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis). An diesem, als "Pectoralis-Phänomen" bekanntgewordenen Ereignis, war auch die Nordische Moosjungfer in relativ hoher Abundanz beteiligt. Die Art wurde in diesem Frühjahr an zahlreichen Gewässern bei Fortpflanzungsaktivitäten beobachtet, an denen sie nie zuvor nachgewiesen werden konnte. Ob sich hieraus erfolgreiche Nachfolgegenerationen entwickeln, muss aufgrund der 3-jährigen Larvenentwicklungszeit noch abgewartet werden.

Ein weiteres bodenständiges Vorkommen existiert im Naturschutzgebiet "Gildehauser Venn" am "Dreiländereck" zwischen den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Darüber hinaus fliegt eine sehr kleine, jedoch ebenfalls bodenständige Population im Naturschutzgebiet "Galgenvenn", einem kleinen Hochmoor im Kaldenkirchener Grenzwald zu der niederländischen Provinz Limburg.

Die Nordische Moosjungfer wird in der Roten Liste der bedrohten Libellenarten Nordrhein-Westfalens (ARBEITSKREIS LIBELLEN NRW, 2010) in der Stufe 2 als "stark gefährdet" geführt. Diese seltene Art hat einen langfristig starken Rückgang zu verzeichnen und tritt in NRW hauptsächlich im Tiefland auf. In dieser Liste wird als Anmerkung folgendes angegeben:
"In den vergangenen Jahren konnte diese Art in NRW erstmalig sporadisch auch im Bergland festgestellt werden. Diese Beobachtungen sind aber bislang noch unzureichend um Trends, Gefährdung oder Etablierung sicher ansprechen zu können. Daher wird sie für die Berglandregion als "D" eingeordnet."
(Anmerkung: D = Daten unzureichend)

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

BROCHARD, C., D. CROENENDIJK, E. VAN D. PLOEG, T. TERMAAT: Fotogids larvenhuidjes van libellen / druk 1. KNNV, Uitgeverij. 224 S.

DIJKSTRA, K.-D. B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GERKEN, B. & K. STERNBERG (1999): Die Exuvien europäischer Libellen - The exuviae of european dragonflies. Höxter, Jena: Arnika & Eisvogel. 354 S.

GLITZ, D. (2012): Libellen in Norddeutschland, ein Geländeschlüssel. NABU-Landesverbände: Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg & Mecklenburg-Vorpommern. 374 S.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

OTT, J. & W. PIPER (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). In: Binot, M., R. Bless, P. Boye, H. Gruttke & P. Pretscher: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Schr.-R. Landschaftspfl. u. Natursch. 55: 260-263

ARBEITSKREIS LIBELLEN NRW - Klaus-Jürgen Conze, Nina Grönhagen unter Mitarbeit von Edgar Baierl, Andreas Barkow, Ludger Behle, Norbert Menke, Matthias Olthoff, Eva Lisges, Mathias Lohr, Martin Schlüpmann und Eberhard Schmidt (2010): ROTE LISTE und Artenverzeichnis der Libellen - Odonata - in Nordrhein-Westfalen: 4. Fassung, Stand April 2010 - PDF

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 2, Großlibellen (Anisoptera). Ulmer Verlag. 534 ff.

WILDERMUTH, H. & A. MARTENS (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas: Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. Quelle & Meyer, 824 S.

WILDERMUTH, H. (2010): Waldlichtungen als terrestrische Habitate von Libellen (Odonata). Entomo Helvetica, 3: 7-24 (entomohelvetica.ch - pdf)

WÜNSCH, H.-W. & H. GOSPODINOVA (2012): Die Libellen Nordrhein-Westfalens. CD-ROM, Band 2, Großlibellen, 4. aktualisierte Auflage.


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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

www.libellenwissen.de: Sehr viele Informationen über Libellen, Bestimmungshilfen, Fotogalerien uvm. von Andreas Thomas Hein

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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